Ein Projekt des Schweizerischen Gemeindeverbands.
Un projet de l’Association des Communes Suisses.
Un progetto dell’Associazione dei Comuni Svizzeri.

Partizipation mit Kindern und für Kinder – Machbar und dringend notwendig

06.08.2020

Carlo Fabian, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit und Mitglied Scientific Committee der Child in the City Global Conference

„Kinder sind unsere Zukunft“ heisst es so schön immer wieder von allen Seiten. Solche Aussagen sind nur teilweise richtig, denn es ist nur die halbe Wahrheit; solch eine Sichtweise ist verengt, denn sie schreibt den Kindern für die Gegenwart keine bedeutende Rolle zu, gibt ihnen nur wenig Relevanz.

Kinder sind aber im Hier und Jetzt. Sie sind Gegenwart! Sie werden allerdings gesellschaftlich, sowohl strukturell als auch individuell, oft zu wenig wahrgenommen. Neben Bedürfnissen, Anliegen und Rechten haben Kinder oft viele für sie und die Gesellschaft allgemein gute und wichtige Ideen! Wir, die Gesellschaft, müssen daher Kinder verstärkt in allen zentralen Lebensbereichen integrieren. Das wird zwar bereits von vielen Organisationen und Menschen mit viel Engagement gemacht, dennoch braucht es eine weitere Stärkung. Das Ziel muss die Chancengerechtigkeit aller Kinder sein.


Das Recht auf Anhörung und Partizipation

Kinder in der Schweiz sind explizit von den klassischen demokratischen Mitgestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten wie Wahlen und Abstimmungen ausgeschlossen. Auf der anderen Seite heisst eines der vier Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention von 1989, die von der Schweiz 1997 ratifiziert wurde und damit verbindlich ist: «Das Recht auf Anhörung und Partizipation: Alle Kinder sollen als Personen ernst genommen und respektiert werden. Das heisst auch, dass man sie ihrem Alter gerecht informiert und sie in Entscheidungen einbezieht» (Quelle). Kinder, namentlich bei sie betreffenden Entwicklungen und Entscheidungen partizipieren zu lassen, ist deshalb nicht nur nett und progressiv, sondern auch ein Muss.

QuAKTIV: Kinderrechte, Partizipation und Umsetzung in die Praxis

Es gibt in der Schweiz sehr viele sehr tolle und gut gemachte Projekte, die sowohl die Kinderrechte, die Partizipation und das Wohlergehen der Kinder, inkl. Chancengerechtigkeit adressieren. Der Kanton Aargau hat vor ein paar Jahren ebenfalls ein entsprechendes Projekt lanciert.

Ausgangspunkt war, dass pädagogische, soziale (kindergerechte) und ökologische Anliegen im Kanton Aar¬gau zwar einzeln, aber kaum gemeinsam in einem Projekt umgesetzt wurden. Deshalb hat das Naturama Aarau in Kooperation mit verschiedenen kantonalen Fachstellen sowie mit Unterstützung der Stiftung Mercator Schweiz, die Fachhochschule Nordwestschweiz beauftragt, ein Projekt zu entwickeln, um die erwähnten Aspekte gemeinsam zu bearbeiten. So entstand das Programm QuAKTIV (2013-2016), ein umfassendes Programm, um mit Kindern und für Kinder ihre Freiräume gemeinsam zu entwickeln und zu gestalten. Grundlegende Anliegen und Werte von QuAKTIV waren die oben genannten Aspekte der Kinderrechte und Chancengerechtigkeit.

Umsetzung, Schlussfolgerungen und Learnings

Basierend auf dem Ansatz der Partizipativen Aktionsforschung als Rahmenmodell, wurde in drei Pilotprojekten mit lokalen Strukturen und den jeweiligen Stakeholdern in den Gemeinden (Kinder, Gemeindevertretungen, Schule, Jugendarbeit, Fachpersonen, etc.) sowie der Wissenschaft gemeinsam am Programm gearbeitet. Die Pilotprojekte sind in zwei Gemeinden und einem Stadtteil mit unterschiedlichen Umsetzungen, vielfältigen Entwicklungen und Ergebnissen sowie Erfahrungen und Erkenntnissen entstanden.

Unter anderem wurde deutlich, dass die Partizipation der Kinder umfassend, vielfältig und, eingebettet in einem Quartier- resp. Gemeindeentwicklungsprojekt, wertvoll war. Kinder konnten erfahren und lernen, dass sie sich einbringen können, ernst genommen werden, ihre Ideen und Anliegen aufgenommen und umgesetzt werden, und dass sie gemeinsam mit den verschiedenen Stakeholdern gemeinsame Lösungen suchen und mitgestalten können. Um die Projekte lokal nicht nur gut verankern, sondern auch, um sie gut organisieren und umsetzen zu können, war es entscheidend wichtig, kommunale Organisationsstrukturen zu schaffen. Konkret musste jedes Projekt eine lokale Projektleitung haben. Diese war in der Regel bei einer Gemeinderätin oder einem Gemeinderat angesiedelt. Eine lokale Arbeitsgruppe, unterstützt durch das Team der FHNW, hat die Prozesse strukturiert, die richtigen Fachpersonen mit ins Boot geholt und die Rahmenbedingungen für umfassende partizipative Prozesse mit den Kindern geschaffen. Die Schulen waren wichtige Kooperationspartner und Türöffner; die FHNW war verantwortlich für die partizipativen Prozesse und hat diese umgesetzt. Die wichtigsten Kooperationspartner waren die Kinder, die sich mit grösstem Engagement und viel Energie eingebracht haben.

Unter vielen Erkenntnissen war zentral, dass bei der Planung und Gestaltung von Freiräumen für Kinder es nicht nur darum geht, schöne und attraktive Freiräume zu schaffen. Der partizipative Prozess als solcher ist namentlich für die Förderung von individueller und sozialer Gesundheit sowie für die persönliche und lokale Demokratieentwicklung mindestens so wertvoll, wie die Nutzung dieser Räume dann. Zudem haben Erwachsene und Fachpersonen erfahren und gelernt, dass Kinder (ab 6 Jahren) gute und wichtige Kooperationspartner sind, und dass Kooperation, wenn im Gemeinwesen eingebettet, transparent geklärt und umsichtig geleitet, für alle gewinnbringend ist. Schlussendlich können Prozesse wie bei QuAKTIV auch zu einem Kulturwandel (Werte, Haltungen) hinsichtlich Partizipation in einzelnen Gemeinden beitragen.

Covid-19

Gerade in Zeiten der Covid-19 Pandemie (diese Zeilen werden am 6. April 2020 geschrieben), steht die Chancengleichheit der Kinder auf dem Prüfstand. Der Lockdown ist richtig, um die Pandemie zu verlangsamen. Homeschooling wird aber die Unterschiede der Bildungschancen zwischen den Kindern stark aufzeigen. Aber auch Belastungen und Gefahren betreffend Sicherheit und Gesundheit als indirekte Folgen der Covid-19 Problematik sind ungleich verteilt. Gerade auch in schwierigen Zeiten müssen die Kinder in Entscheidungen jeglicher Art explizit adressiert werden.


finden Sie den Projektbeschrieb des Programms QuAKTIV

finden Sie mehrere Informationen zu der Child in the City Global Conference


 
 

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